Ausstellung und Preisverleihung

AWO stellt Verletzliche und nicht Sichtbare in den Mittelpunkt

Zwei in einem: In der Schwabacher Stadtkirche zeigt die Awo-Sozialstiftung die Portrait-Ausstellung „Die Verletzlichen“ in der Pandemie, am selben Ort verleiht sie den Rosa-Michalka-Stiftungspreis. Ein kleiner, feiner Rahmen für die Preisvergabe – genau der richtige, findet Christine Heller.

Heller hat als Awo-Vorständin und Stiftungsrätin zur Vernissage einer besonderen Ausstellung eingeladen und gleichzeitig zur Preisverleihung. Den sowohl illustren als auch vor allem berührend passenden Rahmen bilden also gemalte 14 Portraits von Menschen, denen eines gemeinsam ist. Sie alle besuchen die Tagespflege der Awo in Schwabach. Sie sind dement. In der Pandemie gehören sie zu denen, die keine Stimme haben, um sich Gehör zu verschaffen, wie es Jürgen Feicht vom Stiftungsrat in seiner Begrüßung nennt.

So ist die Idee entstanden, ihnen via Leinwand, Pinsel und viel Farbe ein Gesicht zu geben: Im Zuge der Bayerischen Demenzwoche im September hat David Kletke, der Einrichtungsleiter der Awo-Tagespflegestätte, eine Zusammenarbeit mit der Künstlerin Isabel Faupel, die außerdem das Mehrgenerationenhaus der Johanniter in Schwabach leitet, angeleiert. Die Tagesgäste stellten sich zur Verfügung und ließen sich von ihr portraitieren. Vor hellgrünem, türkisblauem oder leuchtend rotorangem Hintergrund sind jetzt im Ausstellungsraum der Stadtkirche die „Verletzlichen“ zu sehen. Offen lächelnd oder nachdenklich, fragend, traurig, in sich verschlossen – „die Portraitierten haben sich gezeigt, wie sie sind“, erzählt die Künstlerin Isabel Faupel von den Begegnungen, die sie tief berührt haben. Die Aktion, sagt sie, „war einmalig“.

Pinsel und Farbe statt Stimme

„Die Pandemie verlangt von uns allen viel ab“, daran erinnert Stiftungsratsmitglied Jürgen Feicht bei der Vernissage. Nicht nur vom Pflegepersonal, von den Familien, auch von den „Verletzlichen“. Alle haben sich an Online-Meetings und Telefonkonferenzen gewöhnt. „Doch was passiert mit denen, die sich mit der Anpassung an die neue Entwicklung schwertun?“ Wer erhebt für sie die Stimme? Statt einer Stimme waren es Pinsel, Leinwände und viel Farbe, damit hat die Künstlerin Isabel Faupel „die Gesichter derjenigen in den Fokus gestellt, die mit Veränderungen nicht mehr so gut umgehen können“.

"Irre gute Lesung"

Faupels ausdrucksstarke Acrylfarbzeichnungen geben dann den Rahmen ab für die nächste Laudatio: Für ihr Projekt „Irre gute Lesung“ erhalten Anita Stumpp und Christine Schur-Greunke den Rosa-Michalka-Stiftungspreis. Die Awo-Sozialstiftung verleiht diesen Preis unter dem Motto „Das Leben lebenswerter gestalten“ alle zwei Jahre an besondere Aktionen und Projekte mit Alleinstellungs- und Vorbildcharakter, so Christine Heller bei der Doppelveranstaltung. Mit der "irre guten Lesung" wird eine Veranstaltungsreihe ausgezeichnet – und mit 1000 Euro bedacht, die zwei Mal jährlich im sozialpsychiatrischen Zentrum des Awo-Kreisverbands stattfindet. Eingeladen werden dazu renommierte Autorinnen und Autoren, die sich mit psychischen Erkrankungen auseinandersetzen. Ähnlich wie die Demenz, spannt Heller den Bogen zu der Kunstaktion, sind psychische Erkrankungen nicht auf den ersten Blick erkennbar. Und, so Heller, in der Gesellschaft oftmals ein Tabu-Thema – obwohl laut Forschung rund ein Drittel der Bevölkerung betroffen sei.

Bei der Awo bietet der Sozialpsychiatrische Dienst eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene. Dessen Einrichtungsleiterin Anita Stumpp hat zusammen mit der Leiterin der Tagesstätte „Lebenstakt“, Christine Schur-Greunke, die „irre gute Lesung“ ins Leben gerufen: offen und reizvoll für alle, frei von Barrieren, also „ein niederschwelliges Angebot mit kulturell hohem Niveau“, ist Heller von dem Konzept begeistert. Bei der Übergabe des Preises hat sie nicht nur Blumen für die beiden Ausgezeichneten dabei, sondern noch ein extra Lob: „Es macht mich stolz, so motivierte Mitarbeitende im Kreisverband zu haben, sich für das Miteinander einsetzen.“

 

Quelle: Nordbayern.de